Schutzwaffen- und Vermummungsverbot

Das Verbot von „Schutzbewaffnung“ und „Vermummung“ wurde erst 1985 in das Versammlungsgesetz aufgenommen, seit 1989 können Verstöße als Straftaten geahndet werden. Unter dem damaligen CSU- Innenminister wurde das Versammlungsrecht gegen den Widerstand der SPD deutlich verschärft. Mittlerweile sind die Verbote gesellschaftlich weitgehend akzeptiert, das macht sie allerdings nicht weniger problematisch. Denn zum einen sind sie sehr weitgehend und zum anderen sind sie überaus unbestimmt. Wer sich im Winter einen Schal zum Schutz vor Kälte in das Gesicht zieht oder als Sportler nach dem Training einen Mundschutz in der Tasche hat, kann bereits mit einem Ermittlungsverfahren konfrontiert sein. Rechtlich ist die Abgrenzung von erlaubten Verhaltensweisen und strafbarem Handeln kompliziert, Bürger/innen können kaum erkennen, was ihnen verboten ist und was nicht.

Das Vermummungsverbot untersagt letztlich, anonym zu demonstrieren. Dabei kann es gute Gründe geben, seine Meinung kundtun zu wollen, ohne dabei erkannt zu werden. Ein eindrückliches Beispiel hierfür war eine Demonstration schwuler Lehrer 1974 in Berlin, die sich gegen die Entlassung eines Kollegen wegen seiner Homosexualität richtete. Die Teilnehmer der Versammlung hatten ihre Gesichter mit Laken „vermummt“, die sie mit der Aufschrift „Lehrer“ versehen hatten. Wären sie dazu gezwungen worden, ihr Gesicht zu zeigen, hätte dies ihre berufliche Existenz bedroht.

Schutzwaffen

Das Versammlungsgesetz verbietet in § 17a Abs. 1 VersG das Mitführen von „Schutzwaffen“ auf Versammlungen. Der Begriff der Schutzwaffe ist irreführend, weil Waffen dazu bestimmt sind, Verletzungen herbeizuführen, während Helme, Schutzwesten und Protektoren im Gegenteil vor Verletzungen schützen sollen. Die gesetzliche Regelung soll die Effektivität polizeilicher Maßnahmen sicherstellen. Darüber hinaus heißt es in der Gesetzesbegründung: „Teilnehmer, die solche Schutzwaffen mit sich führen, dokumentieren aufgrund ihres martialischen Erscheinungsbildes eine offenkundige Gewaltbereitschaft und üben auf die Menge nach massenpsychologischen Erkenntnissen eine aggressionsstimulierende Wirkung aus.“ In dieser Schlichtheit dürfte dies jedoch nicht zutreffen. Es wird nicht das „martialische Auftreten“ einem Verbot unterworfen, sondern der Schutz vor Verletzungen.

Dem Schutzwaffenverbot unterliegen Schutzschilde, Panzerungen und ähnliche Gegenstände aus dem polizeilichen oder militärischen Bereich. Da gesetzlich auch solche Gegenstände verboten sind, die als Schutzwaffen geeignet sind, fallen auch Alltagsgegenstände wie Fahrradhelme oder Mundschützer darunter. Die Abgrenzung, wann ein Gegenstand eine Schutzwaffe darstellt, ist überaus schwierig und birgt eine große Unsicherheit für Demonstrierende. Unter Juristinnen und Juristen sind das Schutzwaffen- wie auch das Vermummungsverbot umstritten, weil sie zu unbestimmt sind und vergleichsweise harmlose Verstöße zu massiven Maßnahmen der Polizei führen können.

Ein Gegenstand kommt nur dann als Schutzwaffe in Betracht, wenn er zumindest potenziell in gewissem Maße geeignet ist, für einen Schutz zu sorgen. Das OLG Hamm hat eine solche Eignung beispielsweise für die Verwendung einer Plastikfolie zum Schutz vor Pfefferspray angenommen.

Probleme bereitet die Frage, wann Gegenstände dazu bestimmt sind, Vollstreckungsmaßnahmen abzuwehren. Erforderlich ist der erkennbare Wille, den Gegenstand als Schutzwaffe zu verwenden, um der Anwendung unmittelbaren Zwangs widerstehen zu können. Von außen ist allerdings nur schwer zu erkennen, ob ein Versammlungsteilnehmer, der einen Helm mit sich führt, weil er mit dem Fahrrad angereist ist, auch die Absicht hat, diesen als Schutzwaffe einzusetzen. Das OLG Hamm weist außerdem zutreffend darauf hin, dass Gegenstände zum Schutz vor Verletzungen, durch gewalttätige Versammlungsteilnehmer/innen oder die „Streuwirkung“ von gegen andere Demonstrationsteilnehmenden gerichteten Polizeieinsätzen, möglicherweise nicht von dem Verbot erfasst sein könnten.

Nicht strafbar macht sich daher, wer als „Schutzwaffen“ geeignete Gegenstände mit sich führt, wenn nicht beabsichtigt ist sie zur Abwehr von Vollstreckungsmaßnahmen zu nutzen. Journalistinnen und Journalisten beispielsweise dürfen sich bei zu erwartenden gefährlichen Situationen mit einem Helm schützen. Zu empfehlen ist, die fehlende Absicht durch sichtbares Tragen des Presseausweises oder eine Kennzeichnung mit der Aufschrift „Presse“ an der Kleidung zu dokumentieren. In Bezug auf „Demosanitäter/innen“ hat das LG Berlin angenommen, dass ein Helm nicht gegen das Schutzwaffen verbot verstößt, weil Behandlungssituationen oftmals auch unter riskanten Bedingungen durchgeführt müssen“.

Die Schutzwaffe muss auf einer Versammlung oder auf dem Weg dorthin mitgeführt werden.

Mitführen bedeutet, dass der Betreffende die tatsächliche Gewalt über die Schutzwaffe ausübt und diese körpernah zur jederzeitigen Verwendung trägt. Problematisch sind Fälle, in denen der Gegen stand erst nach einiger Zeit zum Einsatz bereit ist, beispielsweise weil er in einem Rucksack verstaut war.

Auf dem Weg befindet sich jeder, der sich zielgerichtet auf den Ort der Veranstaltung zubewegt.

Vermummung

Für die Beurteilung, ob eine Vermummung vorhegt, kommt es dar auf an, dass die Vermummung objektiv geeignet und den Umständen nach darauf gerichtet ist, die Feststellung der Identität durch die Strafverfolgungsbehörden zu verhindern.

Zur Vermummung geeignet sind alle möglichen Gegenstände, mit denen das Gesicht verdeckt werden kann, beispielsweise Schals, Schlauchtücher, Sonnenbrillen, Masken, Kapuzen und viele mehr. Transparente verstoßen, selbst wenn sie als Sichtschutz genutzt werden, nicht gegen das Vermummungsverbot, weil sie keine „Aufmachung“ im Sinne des Versammlungsgesetzes darstellen.

Erforderlich ist eine Absicht zur Identitätsverschleierung gegenüber den Behörden. Sie liegt nicht vor, wenn Polizei oder der Versammlungsbehörde die Identität des Betroffenen bereits bekannt ist. Erfolgt eine Vermummung zu dem Zweck, sich vor fotografierenden politischen Gegnern zu schützen, liegt kein Verstoß vor. Gleiches gilt, wenn anderweitige Repressalien gewaltbereiter Gegendemonstrantinnen und Gegendemonstranten befürchtet werden.

Ob eine Absicht vorliegt, die Identität zu verschleiern, ist anhand der Gesamtumstände zu ermitteln. Dies ist wie bei Schutzwaffen im Einzelfall überaus schwierig, sodass im Falle eines Ermittlungsverfahrens sorgsam alle Umstände einzubeziehen sind, die für oder gegen eine entsprechende Absicht sprechen.

Hier gilt dasselbe wie bei Schutzwaffen. Die Atemmaske eines „Demosanitäters“ erfüllt nicht den Tatbestand der Vermummung, wenn sie aus Gründen der Hygiene und zum Schutz vor Luftverschmutzungen wie Rauch getragen wird. Gegen eine Absicht zur Verschleierung der Identität kann ferner eine auffällige Schutzkleidung sprechen oder wenn sich die/der Betroffene vor Beginn der Versammlung bei der Polizei anmeldet. Eine solche eindeutige Kleidung wie auch eine Anmeldung bei der Polizei ist in jedem Falle zu empfehlen.

Steht die Aufmachung in einem thematischen Zusammenhang mit der Versammlung, ist dies durch die Versammlungsfreiheit geschützt.

Tiermasken gegen die Patentierung von Leben oder Masken von Politikern bezwecken die Kommunikation des Anliegens der Versammlung. Mit einer solchen Aufmachung soll im Regelfall nicht die Feststellung der Identität verhindert werden. Gleiches gilt für Schminke bei einem Straßentheater oder eine das Gesicht verdeckende Arbeitskleidung bei der Kundgebung einer Gewerkschaft. Derartige Handlungen verstoßen nicht gegen das Vermummungsverbot.

Ausnahmen

Gesetzlich von den Verboten des § 17a Abs. 1 und 2 VersG ausgenommen sind Gottesdienste unter freiem Himmel, kirchliche Prozessionen, Bittgänge und Wallfahrten, gewöhnliche Leichenbegängnisse, Züge von Hochzeitsgesellschaften und hergebrachte Volksfeste. Bei letzteren handelt es sich um „traditionelle“ Veranstaltungen, die aber nicht zwingend schon seit vielen Jahren durchgeführt werden müssen. Die Abgrenzung zwischen einer Versammlung und einer der genannten Veranstaltungen kann mitunter schwierig sein, es kommt letztlich auf den Gesamtcharakter an. Die Versammlungsbehörde kann weitere Ausnahmen von den Verboten des § 17a Abs. 1 und 2 VersG zulassen, wenn eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht in Rede steht.

© Text: Jasper Prigge, Versammlungsfreiheit: Ein Praxisleitfaden
© Bild: Tim Wagner

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