Fotos auf Versammlungen

§ 23 KunstUrhG

(1) Ohne die nach § 22 erforderliche Einwilligung dürfen verbreitet und zur Schau gestellt werden:

1. Bildnisse aus dem Bereiche der Zeitgeschichte; […]

3. Bilder von Versammlungen, Aufzügen und ähnlichen Vorgängen, an denen die dargestellten Personen teilgenommen haben; […]

Auf Versammlungen darf grundsätzlich fotografiert werden, wobei grundsätzlich nicht von Belang ist, ob abgelichtete Personen ihre Einwilligung erteilt haben. Daran hat auch die europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) nichts geändert. Für Journalistinnen und Journalisten sehen die Pressegesetze der Länder bzw. der Rundfunkstaatsvertrag weitreichende Ausnahmen von dem Erfordernis einer datenschutzrechtlichen Einwilligung vor. Auf Privatpersonen ist die DSGVO ohnehin nicht anwendbar. Privatpersonen wie auch Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte dürfen fotografiert und gefilmt werden. Die Beamtinnen und Beamten dürfen erst dann einschreiten, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Aufnahmen rechtswidrig veröffentlicht werden sollen oder sonst Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bestehen. Insbesondere bei Journalistinnen und Journalisten wird dies regelmäßig nicht anzunehmen sein. Das Bundesverwaltungsgericht hat die besondere Bedeutung der Pressefreiheit herausgestellt:

Wird ein Journalist daran gehindert, eine Photoaufnahme zu tätigen, wird insoweit irreversibel in sein Recht auf Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG) eingegriffen. Dies kann in der Regel nicht hingenommen werden. Insbesondere kann diese Rechtsbeeinträchtigung nicht auf die Erwägung gestützt werden, die Wortberichterstattung bleibe auch dann möglich, wenn die Bildberichterstattung vereitelt werde. Denn es kommt nicht der Polizei gegenüber der Presse zu, zu entscheiden, welche Form der Berichterstattung erfolgen soll und welcher Art von vorbereitender Recherche es demgemäß bedarf. Verhältnismäßig ist es in einem solchen Fall daher in der Regel nicht die durch den Journalisten beabsichtigte Photoaufnahme selbst zu verhindern, sondern nur, Vorkehrungen für die befürchtete anschließende Verletzung eines Rechtsgutes durch den Gebrauch des Bildes zu treffen.“

Polizeiliche Maßnahmen sind also entgegen der landläufigen Meinung nicht bereits erlaubt, wenn Porträtaufnahmen gefertigt werden. Zwar wird bei solchen Aufnahmen stets eine Abwägung erfolgen müssen. Die Vorlage eines Presseausweises sollte ausreichen, um be stehende Zweifel auszuräumen.

Problematisch ist in diesem Zusammenhang die immer wieder anzutreffende Aufforderung der Polizei, Fotoaufnahmen gemeinsam durchzusehen. Die Pressefreiheit schützt die Tätigkeit von Journalistinnen und Journalisten umfassend, auch das von ihnen angefertigte Material.

Verlangt die Polizei, angefertigtes Material durchzusehen, sollten Namen und Dienststellen der handelnden Beamtinnen bzw. Beamten erfragt werden. Ferner sollten sie um eine Begründung gebeten werden. Hingewiesen werden sollte auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der eine Verständigung über „ob“ und „wie“ der Veröffentlichung vorrangig ist.

Nicht erlaubt ist ein aufdringliches Abfotografieren oder das Stören einer polizeilichen Maßnahme. Auch hier ist aber die Pressefreiheit zu berücksichtigen, sodass nicht bereits ausreicht, dass sich die Beamtinnen und Beamten durch die bloße Anwesenheit von Presse- Vertreterinnen und Pressevertretern gestört fühlen. Es braucht viel mehr greifbarer Beeinträchtigungen von Persönlichkeitsrechten oder der polizeilichen Aufgabenerfüllung, um Maßnahmen zu recht fertigen.

Nicht selten verweisen Beamtinnen und Beamten darauf, dass die Aufnahme des nicht öffentlich gesprochenen Wortes nach § 201 Abs. 1 Nr. 1 StGB strafbar ist. Die Anfertigung von Fotoaufnahmen erfüllt diesen Tatbestand nicht. Nicht erlaubt sind lediglich Audioaufnahmen. Auch diese können zulässig sein, wenn das gesprochene Wort öffentlich ist. Bei einer Diensthandlung auf einer Versammlung wird dies häufig der Fall sein, Gespräche einer abgrenzbaren Gruppe (z. B. ein Beamter und eine Demonstrierende) dürfen hingegen nicht verdeckt mitgeschnitten werden.

Zwischen Anfertigung und Veröffentlichung von Foto- und Videoaufnahmen ist streng zu unterscheiden, denn die Anfertigung unterliegt anderen rechtlichen Grundsätzen als die Veröffentlichung.

Die Veröffentlichung von Aufnahmen, auf denen Personen abgebildet sind, bedürfen nach § 22 Satz 1 KunstUrhG wegen des Rechts am eigenen Bild einer Einwilligung.

Ausnahmen von diesem Grundsatz sind in § 23 Abs. 1 KunstUrhG geregelt. Werden Teilnehmende von Versammlungen fotografiert oder gefilmt dann dürfen diese Aufnahmen nach § 23 Abs. 1 Nr. 3 Kunst UrhG veröffentlicht werden. Voraussetzung ist, dass die Versammlung im Vordergrund steht, Porträtaufnahmen sind hingegen grundsätzlich nicht erlaubt. Auffällige Personen, die beispielsweise auffällige Schilder tragen oder kostümiert sind, können möglicherweise als zeitgeschichtliches Ereignis nach § 23 Abs. 1 Nr. 1 KunstUr hG veröffentlicht werden, nicht aber x-beliebige Teilnehmende.

Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte sind keine Teilnehmenden von Versammlungen. Üben sie allerdings Diensthandlungen und damit staatliche Gewalt aus, wird dies gegebenenfalls ein zeitgeschichtliches Ereignis darstellen. In diesem Falle ist eine Veröffentlichung zulässig.

© Text: Jasper Prigge, Versammlungsfreiheit: Ein Praxisleitfaden
© Bild: Tim Wagner

Hinterlasse einen Kommentar.