Das Versammlungsgesetz weist der Versammlungsleitung die Aufgabe zu, die Ordnung auf der Versammlung aufrechtzuerhalten. Was auf den ersten Blick nach einer Bevormundung aussieht, ist vielmehr Ausdruck des Selbstbestimmungsrechts der Versammlung. Probleme sollen die Betroffenen vorrangig selber lösen, nicht die Polizei. Ihre Eingriffsbefugnisse beschränken sich auf die Abwehr von Gefahren, die durch die Versammlung nicht selbst bewältigt werden können.
Trotz ihrer Ordnungsfunktion ist die Versammlungsleitung, wie das VG Bayreuth treffend formuliert, „kein Hilfspolizist“. Sie ist daher nicht verpflichtet, jede von ihr festgestellte problematische Handlung zu unterbinden oder intensiv mit der Polizei zusammenzuarbeiten und ihr jegliche Unterstützung zu gewähren. Dafür fehlt es an einer Rechtsgrundlage. Ordner/innen haben also nur die Rechte und Pflichten im Auftrag der Versammlungsleitung durchzusetzen und nicht anstelle der Polizei für Ruhe und Ordnung zu sorgen.
Die Aufgabe der Versammlungsleitung kommt der in der Anmeldung benannten Person zu. Anders als bei Veranstaltungen in geschlossenen Räumen ist nicht zugleich Leiter/in, wer die Versammlung veranstaltet. Denn § 7 Abs. 2 bis Abs. 4 VersG ist auf Versammlungen unter freiem Himmel nicht anwendbar, weil § 18 Abs. 1 VersG nur auf § 7 Abs. 1 VersG verweist. Damit ist die Übertragung der Leitung auf eine andere Person nach der Anmeldung grundsätzlich nicht möglich, auch wenn viele Versammlungsbehörden dies im Sinne einer vertrauensvollen Zusammenarbeit mit der Versammlung ermöglichen.
Die Versammlungsbehörde muss die von den Veranstalterinnen und Veranstaltern als Versammlungsleitung gewählte Person akzeptieren. Lediglich wenn tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, dass die Person der Leiterin bzw. des Leiters eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung begründet z. B. wegen vergangener Straftaten, kann sie diese/n mittels einer entsprechenden Auflage ablehnen und bestimmen, dass eine andere Versammlungsleitung zu benennen ist.
© Text: Jasper Prigge, Versammlungsfreiheit: Ein Praxisleitfaden
© Bild: Tim Wagner