Das Versammlungsgesetz kennt ein Bündel an Rechten und Pflichten der Versammlungsleitung.
Rechte der Versammlungsleitung:
– Bestimmungsrecht über den Ablauf der Versammlung
– Unterbrechung, Fortsetzung und Schließung der Versammlung
– Einsatz von Ordner/innen, ihr Einsatz muss bei der Anmeldung beantragt und von der Polizei genehmigt werden
– Pflicht der Teilnehmenden, die zur Aufrechterhaltung der Ordnung getroffenen Anordnungen der Versammlungsleitung zu befolgen Pflichten der Versammlungsleitung:
– Anwesenheit während der Versammlung
– Aufrechterhaltung der Ordnung
– Durchführung der Versammlung im Wesentlichen wie in der Anmeldung angegeben
– Befolgung vollziehbarer behördlicher Anordnungen (z. B. Auflagen)
– Kein Einsatz bewaffneter Ordner/innen
Pflichten der Versammlungsleitung:
– Anwesenheit während der Versammlung
– Aufrechterhaltung der Ordnung
– Durchführung der Versammlung im Wesentlichen wie in der Anmeldung angegeben
– Befolgung vollziehbarer behördlicher Anordnungen (z. B. Auflagen)
– Kein Einsatz bewaffneter Ordner/innen
– Einhaltung der angemeldeten bzw. genehmigten Anzahl von Ordner/innen und Kennzeichnung mit Ordnerbinde gem. § 9 Abs. 1 VersG
– Einräumen eines angemessenen Platzes für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte
– Beendigung der Versammlung, wenn sich die Versammlungsleitung nicht durchsetzen kann
Entscheidungen trifft die Versammlungsleitung nach ihrem Ermessen, ohne an den Willen der Versammlung gebunden zu sein. Schon aus diesem Grunde sollten Veranstalter/innen sorgfältig auswählen, wem sie diese Aufgabe übertragen. Bilden Teilnehmende einer vorherigen Versammlung nach deren Beendigung eine neue Spontanversammlung, hat die frühere Versammlungsleitung keine Rechte und Pflichten.
Nicht selten übernimmt die Versammlungsleitung neben der Kommunikation mit der Polizei weitere Aufgaben wie etwa die Moderation oder die Koordinierung von Redebeiträgen. Besser ist es, im Vorfeld eine Verteilung der anfallenden Aufgaben vorzunehmen. Die Versammlungsleitung sollte vorrangig die Kommunikation mit der Polizei und den Ordner/innen übernehmen, daneben ist allenfalls ein kurzer Redebeitrag denkbar. Gerade bei größeren Versammlungen sollte die Versammlungsleitung zudem von weiteren Personen unterstützt werden, die einzelne Aufgaben übernehmen (z. B. Weitergabe von Informationen an die Ordner/innen oder die Moderation). Bei größeren Bündnisveranstaltungen sollten grundlegende Entscheidungen für die Versammlung unter Beteiligung der wichtigsten Organisationen getroffen werden. Dafür kann ein „Demorat“ gebildet werden, in dem mehrere Vertreter/innen mit der Versammlungsleitung ein gemeinsames Vorgehen besprechen. Letztlich obliegt es allerdings allein der Versammlungsleitung, ob sie das Ergebnis der Diskussion annimmt oder eine eigene Entscheidung trifft.
Bestimmungsrecht über den Ablauf
Die Versammlungsleitung bestimmt über den Ablauf der Versammlung. Sie kann verbindliche Absprachen mit der Polizei treffen. Da Versammlungen „dynamische Lagen“ sind, also unerwartete Situationen auftreten können, die im Kooperationsgespräch nicht oder nicht so erörtert wurden, muss die Versammlungsleitung gegebenenfalls spontan reagieren. Das Bestimmungsrecht findet darüber hinaus seinen Ausdruck darin, dass die Leiterin bzw. der Leiter eine Versammlung eröffnet, unter bricht, fortsetzt oder schließt, einzelnen Personen das Wort erteilt oder entzieht und die Ordnung der Versammlung aufrechterhält.
Verantwortung für die Ordnung
Die Versammlungsleitung kann Anordnungen gegenüber den Teil nehmenden treffen, um die Ordnung der Versammlung aufrecht zu erhalten. Die Teilnehmenden sind verpflichtet, diese Anordnungen zu befolgen. Zwangsbefugnisse oder ein Ausschlussrecht gegenüber Teilnehmenden stehen ihr aber genauso wenig zu wie Ordner/innen. Kommen Teilnehmende den Weisungen der Versammlungsleitung nicht nach, wird sie sich zur Durchsetzung der Ordnung an die Polizei wenden müssen.
Teilnehmende, die der Versammlungsleitung oder Ordner/innen bei der rechtmäßigen Ausübung von Ordnungsbefugnissen mit Gewalt oder Drohung mit Gewalt Widerstand leisten oder sie während der rechtmäßigen Ausübung ihrer Ordnungsbefugnisse tätlich angreifen, machen sich nach § 22 VersG strafbar.
Einsatz von Ordner/innen
§ 9 VersG
(l) Der Leiter kann sich bei der Durchführung seiner Rechte aus § 8 der Hilfe einer angemessenen Zahl ehrenamtlicher Ordner bedienen. Diese dürfen keine Waffen oder sonstigen Gegenstände im Sinne von § 2 Abs. 3 mit sich führen, müssen volljährig und aus schließlich durch weiße Armbinden, die nur die Bezeichnung „Ordner“ tragen dürfen, kenntlich sein.
§18 VersG
(1) Für Versammlungen unter freiem Himmel sind § 7 Abs. 1, §§ 8, 9 Abs. l, §§ 10,11 Abs. 2, §§ 12 und 13 Abs. 2 entsprechend anzuwenden.
(2) Die Verwendung von Ordnern bedarf polizeilicher Genehmigung. Sie ist bei der Anmeldung zu beantragen.
Die Versammlungsleitung darf eine angemessene Zahl an Ordner/innen einsetzen, wenn ihr Einsatz bei der Anmeldung beantragt und genehmigt wurde. Die Versammlungsbehörde darf eine Genehmigung nur ablehnen, wenn öffentliche Interessen entgegenstehen. Das ist der Fall, wenn Tatsachen vorliegen, nach denen die als Ordner/innen genannten Personen voraussichtlich die mit Ordnerfunktion verbundenen Aufgaben nicht erfüllen werden. Dann kommt eine Versagung in Betracht.
Gesetzlich wird der Zeitpunkt des Antrags auf die Anmeldung fest gelegt, die Versammlungsbehörde kann eine Genehmigung aber auch nachträglich erteilen.
Angemessen ist die Anzahl an Ordner/innen, die zur Aufrechterhaltung der Ordnung erforderlich ist.
Eine Pflicht, sich der Hilfe von Ordner/innen zu bedienen, kann nur durch eine Auflage begründet werden, hierzu müssen die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 VersG vorliegen.
Ordner/innen unterstützen die Versammlungsleitung bei ihren Auf gaben. Sie sind wie die Versammlungsleitung keine „Hilfspolizistinnen oder -polizisten“, sondern werden im Sinne des Anliegens der Versammlung tätig. Es liegt in der Bestimmungsmacht der Versammlungsleitung, wann und an welcher Stelle der Versammlung sie sich Ordner/innen bedient. Der Ordnereinsatz muss flexibel gestaltbar sein, zumal die Versammlung jederzeit verlassen werden und zu ihr jederzeit hinzugetreten werden können muss. Eine Auflage, nach der die Ordner/innen einen Aufzug seitlich begleiten müssen, ist daher rechtswidrig.
Abgesehen von dieser Aufgabe sind sie Teilnehmende wie alle anderen auch. Vor allem dürfen sie z. B. Redebeiträge halten, Flugblätter verteilen und Parolen rufen. Sonderrechte gegenüber anderen Versammlungsteilnehmer/innen stehen ihnen hingegen nicht zu, insbesondere haben sie keine Befugnis zur Anwendung von Gewalt.
Zweckmäßig ist eine vorherige Einweisung von Ordner/innen durch die Versammlungsleitung. Ihnen sollte bekannt gegeben werden, worauf zu achten ist, welche Auflagen für die Versammlung gelten und wie mit der Versammlungsleitung kommuniziert wird. Sinnvoll kann sein, ein Handout mit den wichtigsten Informationen auszuteilen (→ Checkliste: Einweisung von Ordner/innen).
Eine Auflage, nach der die Einweisung vor Beginn der Versammlung und in Gegenwart der Einsatzleitung vorzunehmen, ist rechtswidrig. Die Ordnungsfunktion der Versammlungsleitung ist zeitlich auf die Versammlung beschränkt, im Vorfeld bestehen keine Rechte und Pflichten. Eine entsprechende Auflage hat zudem Auswirkungen auf die Versammlung selbst, weil sie letztlich auch den Beginn der Versammlung davon abhängig macht, dass die Einsatzleitung am Versammlungsort eintrifft. Wäre sie verhindert oder nicht auffindbar, dürfte die Versammlung nicht beginnen. Für eine solche Vorgehensweise ist weder eine Rechtsgrundlage noch ein sachlicher Grund ersichtlich.
Das Verhältnis von Ordner/innen zu Teilnehmenden in einer Auflage der Versammlungsbehörde muss verhältnismäßig sein. Zumeist wird es ausreichen, wenn auf 40 bis 50 Teilnehmende ein/e Ordner/in verlangt wird. Nur in Ausnahmefällen wird ein geringeres Verhältnis zulässig sein. Für kleine Versammlungen wird wegen ihrer Übersichtlichkeit ein Ordnereinsatz nicht durch eine Auflage vorgeschrieben werden können. Die Versammlungsleitung kann in diesem Falle selbst für Ordnung sorgen.
Anforderungen an Ordnerinnen und Ordner
Bei der Auswahl von Ordner/innen muss die Versammlungsleitung beachten, dass diese gem. § 9 Abs. 1 VersG
– volljährig,
– ehrenamtlich und
– zuverlässig
sein müssen.
Volljährig ist, wer das 18. Lebensjahr vollendet hat. Umstritten ist, ob aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Ausnahme von dem Erfordernis der Volljährigkeit zu machen ist, wenn z. B. eine Versammlung von Schülerinnen und Schülern veranstaltet wird.
Die Ehrenamtlichkeit verbietet den Einsatz privater Sicherheitsdienste auf Versammlungen, darüber hinaus dürfen Beschäftigte des Veranstalters nur in ihrer Freizeit als Ordner/innen tätig sein. Es spricht allerdings nichts dagegen, den Ordner/innen etwaige Auslagen wie z. B. Fahrtkosten zu ersetzen.
Ordner/innen sind mit weißen Armbinden mit der Aufschrift „Ordner“ zu kennzeichnen, wobei nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes selbstverständlich auch die Bezeichnung „Ordner/in“ zulässig ist. Eine Kennzeichnung mit Westen oder T-Shirts entspricht allerdings nicht den gesetzlichen Anforderungen.
Wie alle anderen Versammlungsteilnehmer/innen dürfen Ordner/innen nicht uniformiert sein. Auch aus diesem Grunde ist auf Warnwesten o. ä. zu verzichten, die gesetzlich zugelassene Kennzeichnung mit einer Ordnerbinde ist ausreichend. Für Ordner/innen gilt ferner wie für alle Versammlungsteilnehmer/innen, dass sie unbewaffnet sein müssen und auch sonst keine gefährlichen Gegenstände bei sich tragen dürfen.
Überprüfung der Anforderungen?
Die Genehmigung von bestimmten Ordner/innen kann versagt werden, wenn diese Ordner/innen unzuverlässig oder ungeeignet sind. Dies wirft die Frage auf, ob und in welchem Umfang die Versammlungsbehörde die Zuverlässigkeit überprüfen dürfen.
Eine pauschale Verpflichtung zur Übermittlung von Namen ist abzulehnen, sie ergibt sich nicht aus dem Gesetz. Das Versammlungsgesetz ermöglicht der Versammlung vielmehr bewusst einen Raum zur Selbstorganisation, um eine Entfaltung grundrechtlicher Freiheiten ohne staatliche Einflussnahme zu gewährleisten. Die Auswahl von Ordner/innen ist bei diesem Verständnis ein Recht der Versammlungsleitung, das durch eine Vorabkontrolle aller Ordner/innen beeinträchtigt würde. Es liegt nahe, dass sich gegebenenfalls weniger Personen als Ordner/innen zur Verfügung stellen werden, wenn dies mit der Übermittlung ihrer Daten an Behörden verbunden ist.
Darüber hinaus besteht objektiv kein Bedürfnis für eine solche Maßnahme. Zweifelt die Polizei daran, dass eine Ordnerin die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt kann sie diese individuell um die Angabe ihrer Personalien bitten. Rechtsgrundlage für die Überprüfung ist in diesem Falle § 9 Abs. 1 VersG. Es müssen aber nachvollziehbare Anhaltspunkte für einen Gesetzesverstoß vorhanden sein, die Polizei darf nicht verdachtsunabhängig kontrollieren.
Bestehen im Vorfeld einer Versammlung tatsächliche Anhaltspunkte, dass die Versammlungsleitung die gesetzlichen Anforderungen an Ordner/innen nicht einhalten wird oder geht von der Auswahl der Ordner/innen sonst eine Gefahr aus, hat die Versammlungsbehörde weitere Reaktionsmöglichkeiten. Sie kann eine Auflage erlassen, nach der Ordner/innen verpflichtet sind, sich auf Verlangen der Polizei auszuweisen. Eine Auflage dieses Inhalts ist gegenüber der Übermittlung der Namen aller Ordner das mildere Mittel. Erscheint sie nicht ausreichend, kann in seltenen Fällen auch die Übermittlung ei ner Liste zulässig sein.
Die Versammlungsgesetze in Bayern und Niedersachsen enthalten besondere Regelungen, wonach die persönlichen Daten der Ordner auf Anforderung der Versammlungsbehörde zu übermitteln sind (Art. 13 Abs. 6 BayVersG; § 5 Abs. l Satz 1 Nr. 3 NVersG). Ordner/innen, die als unzuverlässig oder ungeeignet „bekannt sind“ darf die Versammlungsbehörde ablehnen. Es müssen Tatsachen vorhanden sein, die eine Unzuverlässigkeit begründen, beispielsweise Gewalttaten im Kontext von Versammlungen.
Beendigungspflicht bei Aufzügen
Werden die Anweisungen der Versammlungsleitung oder ihrer Ordner von den Teilnehmenden nicht befolgt und kommt es in der Folge zu unmittelbaren Gefahren, so ist die Versammlungsleitung zu einer Beendigung der Versammlung verpflichtet. Zuvor kann sie sich an die Polizei wenden, um den ordnungsgemäßen Ablauf wiederherstellen. Auch eine Unterbrechung des Aufzugs ist möglich, wenn auch in der Praxis eher selten.
Eine Beendigung auf der Grundlage von § 19 Abs. 3 VersG bewirkt, dass der versammlungsrechtliche Schutz entfällt. Die Polizei darf ab diesem Zeitpunkt Maßnahmen auf Grundlage der Polizeigesetze er greifen, um Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Anders als bei einer zwangsweisen Auflösung einer stationären Versammlung durch die Polizei, sind die früheren Teilnehmenden nicht kraft Gesetzes verpflichtet, sich vom Versammlungsort zu entfernen. Die Polizei muss daher ggf. eigene Maßnahmen treffen, z. B. Platzverweise aussprechen.
© Text: Jasper Prigge, Versammlungsfreiheit: Ein Praxisleitfaden
© Bild: Tim Wagner
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