Öffentlichkeitsarbeit der Polizei

Versammlungen sind Ereignisse von besonderer Bedeutung. Es ist nichts dagegen einzuwenden, wenn die Polizei im Rahmen ihrer Öffentlichkeitsarbeit in sachlicher Form auf die möglichen Auswirkungen für den Verkehr o. ä. hinweist. Der Versand von Pressemitteilungen, in denen die Polizei über Ereignisse im Zusammenhang mit Versammlungen informiert, ist üblich und auch grundsätzlich zulässig.

Die Öffentlichkeitsarbeit der Polizei wird durch das Sachlichkeitsgebot begrenzt. Allgemeiner Grundsatz für rechtsstaatliches Verhalten ist, dass der Staat nicht willkürlich handeln darf. Hieraus ist abzuleiten, dass Äußerungen von Behörden nicht unsachlich sein dürfen. Sie müssen im Wesentlichen auf einem zumindest vertretbar gewürdigten Tatsachenkern beruhen. Die Verbreitung von Unwahrheiten und bewusste Fehlinterpretationen sind Behörden nicht gestattet. Zudem dürfen Äußerungen den sachlich gebotenen Rahmen nicht überschreiten, sie müssen also verhältnismäßig sein.

Ein noch strengerer Maßstab gilt, wenn die Öffentlichkeitsarbeit politische Parteien betrifft. In diesem Falle sind die Behörden zu parteipolitischer Neutralität verpflichtet.

Die Polizei hat in den vergangenen Jahren ihre Öffentlichkeitsarbeit deutlich professionalisiert. Zahlreiche Polizeipräsidien unterhalten Profile in sozialen Netzwerken, über die sie eine beträchtliche Zahl von Nutzerinnen und Nutzern erreichen. Sie werden zum Teil von Social-Media-Teams im Schichtbetrieb betreut. Dies ermöglicht es der Polizei, Informationen über soziale Netzwerke zunehmend in Echtzeit zu verbreiten und auf Posts von Nutzerinnen und Nutzern direkt zu reagieren.

Diese „agile“ Art der Öffentlichkeitsarbeit wird von der Polizei als notwendig angesehen, sie ist aber grundsätzlich problematisch, ins besondere wenn Informationen verbreitet werden, die eine Versammlung in schlechtem Licht erscheinen lassen. Die Polizei wird gemeinhin als besonders vertrauenswürdige Quelle wahrgenommen;

ihre Schilderungen des Sachverhalts erwecken daher den Anschein einer „amtlichen Bestätigung“ der Richtigkeit. Vor allem Berichte über Angriffe auf Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte oder anderweitige Straftaten von Teilnehmenden bedürfen zum Schutz der Darstellung der Versammlung in der Öffentlichkeit einer besonders gründlichen Recherche, bevor sie veröffentlicht werden. Gerade bei unübersichtlichen Versammlungslagen wird eine hinreichende Sicherheit über den Wahrheitsgehalt einer Information aber nicht zeitnah zu erlangen sein. Das Sachlichkeitsgebot verbietet gerade die Verbreitung von „Fake News“. Ihm wird nur dann Rechnung getragen, wenn die Polizei ihre Informationen hinreichend prüft, statt dass sie aus Gründen der Effektivität ihrer Öffentlichkeitsarbeit billigend in Kauf nimmt, grundrechtlich geschütztes Handeln ohne hinreichende Grundlage zu verkürzen.

Besonders problematisch ist, wie zuletzt beobachtet, die Bebilderung von Postings in sozialen Netzwerken. Fotos oder Videos von einer Versammlung dürfen von der Polizei nur dann angefertigt werden, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen für den Einsatz von Kameras (→ Kameraüberwachung) vorliegen, nicht aber für die Öffentlichkeitsarbeit bei Twitter oder Facebook. Auch wenn die Polizei sicherlich ein Interesse an einer umfassenden Nutzung sozialer Netzwerke hat, stehen ihr nicht die gleichen Rechte wie Journalistinnen und Journalisten zu. Sie ist an Grundrechte gebunden und kann sich für ihre PR nicht auf die Meinungsfreiheit des Art. 5 GG berufen. Das Recht zur Öffentlichkeitsarbeit beinhaltet nicht zugleich die Befugnis, ohne eine gesetzliche Grundlage in Grundrechte einzugreifen.

Bereits das Anfertigen von Fotos oder Videos durch die Polizei greift in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Betroffenen ein. Nicht nur bei Porträtaufnahmen, sondern auch bei Verwendung eines Weitwinkels können die Abgebildeten bedingt durch die heute übliche hohe Auflösung der eingesetzten Kameras potenziell identifiziert werden. Sie nehmen lediglich wahr, dass die Polizei die Versammlung fotografiert bzw. filmt. Bei einzelnen Teilnehmenden kann dies das Gefühl auslösen, behördlich registriert bzw. überwacht zu werden und sie von einer weiteren Teilnahme an dieser oder künftigen Versammlungen abschrecken. Schließlich wissen die Betroffenen nicht, was mit den Aufnahmen passiert. Sie können beispielsweise nicht abschätzen, ob sie in einer Datei gespeichert oder mit anderen Aufnahmen abgeglichen werden. Foto- und Videoaufnahmen, die bei Versammlungen angefertigt und gespeichert wer den, greifen deshalb auch in die Versammlungsfreiheit ein.

Im Falle von Foto- oder Filmaufnahmen sollten die Beamtinnen und Beamten darauf angesprochen werden. Setzen sie das Fotografieren oder Filmen dennoch fort, sollte die Versammlungsleitung dies ihrerseits durch Fotos dokumentieren, um im Falle eines späteren Gerichtsverfahrens beweisen zu können, dass für die Maßnahme der Polizei kein Anlass bestand.

© Text: Jasper Prigge, Versammlungsfreiheit: Ein Praxisleitfaden
© Bild: Tim Wagner

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