Kameraüberwachung

Die Überwachung einer Versammlung mit Kameras ist der Polizei nicht ohne Weiteres erlaubt. Nach § 12a Abs. 1 VersG und den entsprechenden Regelungen in den Landesversammlungsgesetzen darf die Polizei Bild- und Tonaufnahmen von Teilnehmenden bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Versammlungen nur anfertigen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen. Zudem kann die Polizei einen Kameraeinsatz auch auf die Vorschriften der Strafprozessordnung stützen, wenn Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begangen werden bzw. wurden.

Kameraüberwachung kann einen Eingriff in die Versammlungsfreiheit darstellen. Dies ist unter anderem der Fall, wenn potenzielle Teilnehmende einer Versammlung abgeschreckt werden. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die Kameraüberwachung intensiv und nicht nur „flüchtig“ ist. Unerheblich ist, ob die Aufnahmen gespeichert oder bloß in Echtzeit übertragen werden. Denn von außen ist nicht erkennbar, ob Bilder lediglich an einen anderen Ort übertragen werden, vielmehr werden Teilnehmende in der Regel von einer Speicherung ausgehen. Liegen die Voraussetzungen des § 12a VersG nicht vor und ist auch keine andere Rechtsgrundlage einschlägig, ist ein Kameraeinsatz rechtswidrig.

Die Versammlungsleitung sollte den Einsatz einer Kamera unverzüglich gegenüber der Polizei ansprechen und auf § 12a VersG hinweisen. Wird die Überwachung nicht eingestellt, sollte der Kameraeinsatz durch Fotos dokumentiert werden.

Zulässig ist, wenn die Polizei ein Kamerafahrzeug vor Ort vorhält, um die Kamera gegebenenfalls zur Gefahrenabwehr einsetzen zu können. Allerdings darf die Kamera dabei ersichtlich nur vorgehalten werden, also z. B. versenkt oder von der Versammlung abgewandt.

Die Anforderungen des § 12a VersG gelten nicht nur auf der Versammlung, sondern auch auf dem Weg dorthin. Auch wenn das Polizeirecht im Vorfeld von Versammlungen grundsätzlich anwendbar ist (-> S. ill), muss die Versammlungsfreiheit berücksichtigt werden, sodass tatsächliche Anhaltspunkte für erhebliche Gefahren in Bezug auf gewichtige Rechtsgüter vorliegen müssen, um eine Videoüberwachung zu rechtfertigen.

In Bayern (Art 9 Abs. 2 BayVersG), Berlin (§ 1 Abs. 3 BerlVersG) und Sachsen (§ 20 Abs. 2 SächsVersG) ist der Polizei die Übertragung von Übersichtsaufnahmen erlaubt, wenn diese wegen der Größe oder der Unübersichtlichkeit der Versammlung im konkreten Einzelfall zur Lenkung und Leitung des Polizeieinsatzes erforderlich sind. Ob in anderen Bundesländern eine Beobachtung von Versammlungen mittels Videokameras zur Lenkung eines Polizeieinsatzes namentlich bei Großdemonstrationen zulässig ist, muss bezweifelt werden. Übersichtsaufnahmen sind nicht unbegrenzt zulässig. Der Verfassungsgerichtshof Berlin hat festgestellt, dass Übersichtsaufnahmen zumindest eine abstrakte Gefahrenprognose erfordern.

Ist die Beobachtung durch die Polizei intensiv und nicht nur flüchtig, beispielsweise wenn zentrale Teile der Versammlung gefilmt werden, handelt es sich nicht mehr um Übersichtsaufnahmen. Liegen die Voraussetzungen des § 12a VersG nicht vor, ist die Beobachtung daher rechtswidrig, selbst wenn das Landesrecht Übersichtsaufnahmen ermöglicht.

© Text: Jasper Prigge, Versammlungsfreiheit: Ein Praxisleitfaden
© Bild: Tim Wagner

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