Grundlagen der Versammlungsfreiheit

Art. 8 GG (1) Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln. (2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Die Versammlungsfreiheit hat eine lange Tradition. Bereits in der von der Frankfurter Nationalversammlung 1848 verabschiedeten Erklärung der „Grundrechte des Deutschen Volkes“ hieß es:

„Die Deutschen haben das Recht, sich friedlich und ohne Waffen zu versammeln; einer besonderen Erlaubnis bedarf es nicht.“

In der Weimarer Republik war die Versammlungsfreiheit in Art. 123 der Reichsverfassung verankert, bis die Nationalsozialisten sie 1933 außer Kraft setzten.

Die Versammlungsfreiheit hat für demokratische Gesellschaften eine grundlegende Bedeutung. Sie ist notwendig, um politische Auffassungen sichtbar zu machen und ermöglicht erst den die Demokratie gegenüber autoritären Systemen kennzeichnenden freien Austausch der Meinungen und Standpunkte. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist die Versammlungsfreiheit daher auch „unmittelbarster Ausdruck der menschlichen Persönlichkeit“ und „eines der vornehmsten Menschenrechte überhaupt, welches für eine freiheitliche demokratische Staatsordnung konstituierend ist“ . Dabei ist sie insbesondere ein Minderheitenrecht, durch das Kritik auch – und gerade – an der Mehrheitsauffassung ausgedrückt werden kann. Sie erhält damit letztlich Meinungsvielfalt und Pluralismus, ohne die eine Demokratie erstarrt.

Im Grundgesetz wird die Freiheit, sich mit anderen zu versammeln, durch Art. 8 GG geschützt. Die Versammlungsfreiheit ist ein Grundrecht und damit ein Abwehrrecht gegen den Staat. Nicht gerechtfertigte Eingriffe in Versammlungen sind dem Staat untersagt. Den Behörden ist es demnach nicht erlaubt, Versammlungen beliebig zu erschweren, beispielsweise indem sie Versammlungen von einer Genehmigung abhängig machen (→ Die Anmeldung einer Versammlung) oder unverhältnismäßige Auflagen erlassen. Auch ein staatlicher Zwang, an einer Versammlung teilzunehmen oder ihr fernzubleiben ist grundsätzlich unzulässig. Eingriffe in die Versammlungsfreiheit bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, unberechtigte Beschränkungen können betroffene Bürger/innen abwehren – gegebenenfalls, indem sie sich an die Gerichte wenden. Es liegt zudem in der Freiheit der Bürger/innen zu bestimmen, wie die von ihnen geplante Versammlung ablaufen soll. Neben der bloßen Möglichkeit, sich an einem Ort zusammenzufinden, gewährleistet die Versammlungsfreiheit ein Selbstbestimmungsrecht über Ort, Zeitpunkt, Art und Inhalt der Veranstaltung (→ Selbstbestimmungsrecht der Versammlung).

Versammlungen unter freiem Himmel (→ Unter freiem Himmel) können durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes beschränkt werden. Seit der Föderalismusreform im Jahr 2006 sind die Bundesländer für die Gesetzgebung in Bezug auf Versammlungen zuständig. Manche Bundesländer (Bayern, Niedersachsen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein) haben eigene Versammlungsgesetze geschaffen, in den übrigen Bundesländern gilt das Versammlungsgesetz des Bundes (VersG) weiter.

© Text: Jasper Prigge, Versammlungsfreiheit: Ein Praxisleitfaden
© Bild: Tim Wagner